Das Tourniquet ist ein Abbindesystem, welches, bei korrekter Anwendung, den arteriellen Blutfluss in einer verletzten Extremität (Arm/Bein) komplett unterbricht. Der Begriff Tourniquet kommt aus dem Französischen und bedeutet „Drehkreuz“.
Das Ziel ist es, mit dem TQ die Blutzufuhr über die Arterie, sowie den Blufabfluss über die Venen „abzudrücken“. Ähnlich wie ein Venenstauband bei der Blutabnahme.
Es wird in zwei verschiedene Arten an TQ’s unterschieden, das pneumatische und das mechanische Tourniquet.
Das pneumatische Tourniquet ist von seinem Aussehen und seiner Funktion einer Blutdruckmanschette recht ähnlich. Das pneumatische TQ wird häufig in der Orthopädie und Unfallchirurgie im Rahmen der Extremitäten-Chirurgie verwendet, um in Blutleere operieren zu können. Dabei wird eine Art Blutdruckmanschette etwa am Arm angelegt, mit elastischen Bändern das Blut aus der Extremität „rausgedrückt“ und die Manschette mit Luft aufgeblasen, bis ein kompletter Stop der arteriellen Blutversorgung des Armes erfolgt. Somit kann dann etwa an der Hand operiert werden, ohne dass es relevant blutet. Es werden deutlich bessere Sichtbedingungen bei der Operation erreicht sowie einen erheblich geringerer Blutverlust.
Die Funktion von mechanischen Tourniquets besteht darin, dass durch Drehen eines Knebels ein daran befestigtes Band, welches zirkulär um eine Extremität verläuft, verkürzt wird, wodurch die Extremität komprimiert wird. Dadurch wird bei korrekter Anwendung sowohl der venöse („aus der Extremität“) als auch der arterielle („in die Extremität“) Blutfluß komplett unterbrochen, was im Falle einer relevanten Blutung aus der Extremität mit dem STOP der Blutung gleichbedeutend ist.
Geschichtlich lassen sich Vorläufer der heutigen Tourniquets bis zu den Römern und Altgriechen zurückverfolgen. Damals schon wurden Kompressionsriemen zur Kontrolle von Blutungen eingesetzt. Der französische Arzt und Anatom Jean-Louis Petit gilt als Erfinder der „Blutsperre“. Er erfand im Jahre 1718 ein Instrument mit einer Spannschraube, das er Tourniquet nannte.
TQ’s werden heutzutage in zwei Bereichen eingesetzt: militärisch und zivil.
Die Akzeptanz als „Goldstandard“ (bei bestimmten Verletzungsbildern) und die flächendeckend weite Verbreitung beim Militär ist den Bemühungen und der Vorreiterfunktion der US Army zu verdanken, die hierbei federführend war.
In unzähligen Studien und Feldversuchen wurden sowohl die Funktionalität, Überlebensrate und Nebenwirkungen als auch unterschiedliche Modelle untersucht und getestet. Somit konnten Evidenz-basierte medizinische Fakten gesammelt werden, die stetig ergänzt bzw. reevaluiert wurden und werden und die auch dazu geführt haben, dass bestimmte TQ-Modelle gegenüber anderen Modellen/ Herstellern besonders empfohlen werden.
Untersuchungen der US Army, die während des Irak-Kriegs in Bagdad durchgeführt wurden, zeigen die Überlebensrate bei schweren Extremitätenverletzungen mit und ohne Tourniquet. Von 2838, schwer an den Extremiäten verletzten, Menschen wurden bei 232 (8,2 %) der Behandelten 428 Tourniquets appliziert (an 309 verletzten Extremitäten). Von diesen starben 13 %.
In einer Matched-pair-Analyse1 konnte gezeigt werden, das ein frühzeitiger Einsatz von TQ’s die Überlebenswahrscheinlichkeit bei schweren Extremitätenverletzungen signifikant erhöht. Von 13 Verletzten mit Tourniquetapplilkation überlebten 10 (77%), wohingegen fünf Menschen ohne Tourniquetapplikation2, obwohl die Indikation dafür bestand, meist nach nur 10-15 Minuten verstarben.
Gerade im zivilen Rettungsdienst hat das TQ (langsam) immer mehr an Bedeutung gewonnen. Immer mehr Fahrzeuge des Rettungsdiensts sowie Polizeiangehörige führen eine Tourniquet mit.
Seit Ende 2016 sollen etwa in Bayern und Baden-Württemberg auf Rettungswagen Tourniquets vorgehalten werden. Abbildung 4 zeigt die zivile Variante des CAT 7 Tourniquet. Dieses ist in Form und Funktion identisch mit der militärischen Variante in schwarz, Unterschied ist nur die Farbe.
Hinsichtlich der Anwendung eines Tourniquets präklinisch empfiehlt es sich, einen Blick auf die S3-Leitlinie Polytrauma/ Schwerverletzten-Behandlung, Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie, AWMF Register-Nr. 012/019 zu werfen. Hier findet sich als Schlüsselempfehlung (1.64 Empfehlung modifiziert 2016 GoR B):
Der Einsatz von Tourniquets ist eine effektive und einfache (für medizinisches und nichtmedizinisches Personal) Methode zur Verhinderung des Verblutens im militärischen präklinischen Rahmen [40]. Der Einsatz von Tourniquets ist eine sichere, schnelle und effektive Methode zur Kontrolle der Blutung aus einer offenen Extremitätenverletzung und sollte nicht nur als letzte Möglichkeit, sondern routinemäßig eingesetzt werden (zivile Untersuchung) [29].
Die Anlage eines Tourniquets ist lediglich als temporäre Maßnahme anzusehen, um initial eine schnelle und effektive Blutstillung durchzuführen. Ziel sollte stets die Konversion eines Tourniquets sein; dies bedeutet, die Abbindung zeitnah durch andere blutstillende Maßnahmen zu ersetzen.
In Anbetracht der kurzen prähospitalen Versorgungszeiten im zivilen Rettungsdienst sollte die Konversion nur in Ausnahmefällen prähospital erfolgen (z. B. bei langen Transportzeiten in der Bergrettung). Vielmehr sollte die Konversion zu Gunsten einer frühen definitiven chirurgischen Versorgung bis in den Schockraum bzw. Operationsaal verschoben werden. Tourniquets können zur Senkung der Mortalität von Kampfverletzten beitragen und zeigen nur geringe Komplikationsraten (z.B. Nervenlähmung, Kompartmentsyndrom). Der Verlust einer Extremität aufgrund des Einsatzes eines Tourniquets ist eine Rarität [23].
Wichtig: Wie für andere Notfalltechniken gilt auch beim Tourniquet, dass die Anwendung nicht erstmals im Einsatz erfolgen sollte, sondern vielmehr unter Supervision zu erlernen ist und regelmäßig trainiert werden muss.
Es gibt nur unzureichende Daten über die Dauer einer sicheren Anwendungszeit für Tourniquets. Die generelle Empfehlung liegt bei 2 Stunden, allerdings ist diese aufgrund von Daten entstanden, welche bei normovolämen Patienten mit pneumatischen Tourniquets gewonnen wurden [42]. Sollte die Transportzeit bis zur operativen Versorgung weniger als 1 Stunde betragen, so kann das Tourniquet belassen werden.
Lerne den korrekten Umgang mit dem Tourniquet bei unserem Bleeding Control Course Modul – A und unserer weiterführenden Kursen. Infos dazu findest du hier.
Fußnoten:
1: (Abbreviated Injury Scale [AIS], Injury Severity Score [ISS], alle männlich, Alter)
2: (mehr wurden in der Zeitspanne nicht identifiziert)
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