Teil 1: Was ist MARCHH?

Thema MARCH Algorithmus

Disclaimer! Dieser und die folgenden Beiträge der MARCH-Reihe sind für den Blog und den Newsletter kurzgefasst und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Absicht dieser Beiträge ist es, einen allgemeinen Überblick in die Untersuchung und Versorgung nach MARCH zu geben.
Aus Gründen der Leserlichkeit werden in diesem und in den folgenden Beiträgen die militärische Bezeichnung „Verwundeter“ (für Verletzter/Patient) und das generische Maskulinum verwendet.

Was ist eigentlich MARCH?

MARCH ist ein Akronym für einen Versorgungsalgorithmus der hauptsächlich in der Taktischen Medizin Anwendung findet. Auch in der zivilen Notfallmedizin nimmt die Bedeutung von MARCH in der Versorgung von Traumapatienten zu.

In der Notfallmedizin werden weltweit ähnliche Algorithmen verwendet, um in Ausnahmesituationen Fehlerquellen zu minimieren und die Kommunikation des Personals zu vereinfachen.
Die Reihenfolge der Untersuchung und der Notfallmaßnahmen, die sich hinter den einzelnen Buchstaben des Akronyms verstecken, ist anhand ihrer Bedeutsamkeit für das Überleben des Verwundeten festgelegt („treat first, what kills first“). Besonders für unerfahrene Behandler ist ein Schema in einer Stresssituation unerlässlich, aber auch der erfahrene Medic oder Notfallmediziner besinnt sich im Rahmen seines „10 for 10“ meist auf sein Behandlungsschema zurück, um die bereits durchgeführten Maßnahmen zu rekapitulieren, die nächsten Schritte zu planen und am wichtigsten; um nichts zu übersehen!

10 for 10 („ten for ten“):
Verbreitete Technik, um sich selbst oder sein Team kurz aus einer Stresssituation herauszunehmen und innerhalb von 10 Sekunden die Tätigkeiten der nächsten 10 Minuten vorzuplanen

MARCH vs. c/xABCDE

Immer wieder erreicht uns besonders aus dem Rettungsdienst die Frage: „Warum kann ich nicht einfach nach c/xABCDE arbeiten?“
Die einfache Antwort ist: Kannst Du. Aber wir machen es eben nicht.
Am Ende geht es um das beste Outcome am Verwundeten und wenn ein Sanitäter sein Leben lang nach cABCDE arbeitet und damit Leben retten kann, dann soll er weiterhin danach arbeiten.
Insbesondere in der internationalen militärischen Zusammenarbeit hat sich durch die Anwendung der evidenzbasierten Tactical-Combat-Casualty-Guidelines (TCCC-Guidelines) des Commitee on Tactical Combat Casualty Care (CoTCCC) das MARCH-Schema durchgesetzt, welches nun auch innerhalb Deutschlands vermehrt Einzug in die notfallmedizinische Ausbildung der Polizeieinheiten findet. Im Rettungsdienst und in den Notaufnahmen wird weiterhin das c/xABCDE-Schema verwendet, während die sog. „First Responder“ taktischer Einheiten eher nach MARCH behandeln. Um Kommunikationsprobleme zu vermeiden, sollten gemeinsame, regelmäßige Übungen taktischer Einsatzlagen fest in den Aus- und Fortbildungsplänen von Rettungsdienst und taktischen Einheiten verankert sein.

MARCH, MARCH-ON, MARCH-ER oder doch lieber S-MARCH?

Wie jeder Algorithmus wird auch MARCH immer wieder erweitert, bis es so viele unterschiedliche Versionen gibt, dass niemand mehr weiß, wofür all die zusätzlichen Buchstaben stehen.
Das CoTCCC verwendet MARCH mit der Erweiterung PAWS, welche in einem gesonderten Beitrag behandelt wird. Hält man sich an das simple MARCH (und arbeitet dies sauber und gewissenhaft ab) macht man in der Versorgung nichts verkehrt!
Innerhalb der Airborne Medical Group sind wir (für die Behandlung des Menschen) mittlerweile beim S- MARCH-ER (PAWS) angekommen, da diese Abwandlung auch taktische Überlegungen und häufige Fehlerquellen einschließt, die wir in der Ausbildung unterschiedlicher Einheiten festgestellt haben.
In den folgenden Blogbeiträgen werden alle diese Buchstaben behandelt und begründet.

S – Scene Safety

M – Massive Hemorrhage
A – Airway
R – Respiration
C – Circulation,
H – Hypothermia, Head

E – EvacPrep
R – Reasses

P -Pain
A – Antibiotics
W – Wounds
S – Splinting

Los geht’s! S = Scene Safety!

Auch in der taktischen Medizin gilt: Behandelt wird nur in größtmöglicher Sicherheit. Ohne die sog. „Feuerüberlegenheit“ wird kein Verwundeter gerettet und auch der Verwundete selbst muss zur Feuerüberlegenheit beitragen, wenn er weiter in der Lage ist zu wirken. Der Verwundete wird zur Selbsthilfe (zB. Anlage eines Tourniquets) angeleitet und begibt sich – wenn möglich – selbstständig in die erste Deckung.

Erst wenn gewährleistet ist, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit keine weiteren Kräfte verwundet werden, wird der Verwundete durch die eigenen Kameraden gerettet und versorgt. Da jeder weitere Verwundete Kräfte bindet und nicht weiter an der Erfüllung des Auftrags teilnehmen kann, sind weitere Verwundete auf jeden Fall zu vermeiden!
Das Ende der akuten Bedrohung (zB. durch Beschuss, aber auch durch einsturzgefährdete Gebäude, Brände usw.) markiert den Übergang von der Roten Zone in die Gelbe Zone. Die Rote Zone ist unsicher. Wenn die taktische Lage es hergibt, wird in der Roten Zone die Massive Blutung mittels Druck oder Tourniquet behandelt – nicht mehr! In einer militärischen oder polizeilichen Lage spricht man hier von „Care und Fire/Threat“.
Sobald eine (vorübergehende) Sicherheit hergestellt werden konnte (zB. Gefechtspause, ausreichende Deckung für den Verwundeten und den Medic usw.) beginnt die Phase „Tactical Field Care“. Man befindet sich nun in der Gelben Zone, wo weiterhin Bedrohung besteht, diese jedoch nicht akut ist. Erst hier wird das MARCH-Schema abgearbeitet, wobei wieder bei Massive Hemorrhage begonnen wird – egal ob in der Phase „Care under Fire“ bereits ein Tourniquet angelegt wurde oder nicht.


Ein kurzer Überblick: Phasen im TCCC

1) Care under Fire:
(minimale Erstversorgung massiver Blutungen durch Tourniquetanlage – ansonsten: Fortführung des Auftrags und Feuerüberlegenheit herstellen! – Rote Zone!)

2) Tactical Field Care
(Abarbeiten des MARCH-Algorithmus am Verwundeten in Deckung in (evt. vorübergehender) Ruhephase – Gelbe Zone!)

3) Tactical Evacuation Care (neu: Enroute Casualty Care)
(Vorbereitung des Verwundeten zum Abtransport und Versorgung während des Transports – Übergang von Gelber Zone zu Grüner Zone)

Oft wird in Aus- und Fortbildung wenig Wert auf die Nutzung
der räumlichen Gegebenheiten gelegt (hier wird Taktische Medizin zur Taktischen Medizin!), was dazu führt, dass Holzwände, Vorhänge oder Ähnliches als „Deckung“ genutzt
werden. Da im scharfen Einsatz nur abgerufen wird, was im Training verinnerlich wurde, kann dies zu lebensgefährlichen Fehlern führen.
Auch die Positionierung im Raum mit dem Rücken zur Wand/Ecke (vor allem auch im Verhältnis zu Türen und Fenstern) und der Einsatz eigener Sicherungskräfte trägt maßgeblich zur Sicherheit während des „MARCHens“ bei und wird in Aus- und Fortbildung wenig priorisiert. Der Medic muss während der Behandlung in der Lage sein, sein Umfeld im Auge zu behalten und sofort auf eine Änderung der Bedrohungslage (Wechsel von Gelber- zu Roter Zone – zB. bei Ausfall eigener Sicherungskräfte, Second Hit uvm.) zu reagieren.

Merke: Ein Sichtschutz ist keine Deckung!

Im nächsten Beitrag geht es weiter mit AVPU/WASB und Massive Hemorrhage. Abonniere den AirMeG-Newsletter um keine Inhalte zu verpassen.

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