Das TOURNIQUET: Der Helfer, wenn es drauf ankommt

Das Tourniquet ist ein Abbindesystem, welches, bei korrekter Anwendung, den arteriellen Blutfluss in einer verletzten Extremität (Arm/Bein) komplett unterbricht. Der Begriff Tourniquet kommt aus dem Französischen und bedeutet „Drehkreuz“.
Das Ziel ist es, mit dem TQ die Blutzufuhr über die Arterie, sowie den Blufabfluss über die Venen „abzudrücken“. Ähnlich wie ein Venenstauband bei der Blutabnahme.

Was für Arten an Tourniquets gibt es?

Es wird in zwei verschiedene Arten an TQ’s unterschieden, das pneumatische und das mechanische Tourniquet.

Das pneumatische TQ

Das pneumatische Tourniquet ist von seinem Aussehen und seiner Funktion einer Blutdruckmanschette recht ähnlich. Das pneumatische TQ wird häufig in der Orthopädie und Unfallchirurgie im Rahmen der Extremitäten-Chirurgie verwendet, um in Blutleere operieren zu können. Dabei wird eine Art Blutdruckmanschette etwa am Arm angelegt, mit elastischen Bändern das Blut aus der Extremität „rausgedrückt“ und die Manschette mit Luft aufgeblasen, bis ein kompletter Stop der arteriellen Blutversorgung des Armes erfolgt. Somit kann dann etwa an der Hand operiert werden, ohne dass es relevant blutet. Es werden deutlich bessere Sichtbedingungen bei der Operation erreicht sowie einen erheblich geringerer Blutverlust.

Pneumatisches OP- Tourniquet – Copyright: Georg Thieme Verlag KG Stuttgart, Im OP 2013; 3(04): 166-170, DOI: 10.1055/s-0033-1348451

Das mechanische TQ

Die Funktion von mechanischen Tourniquets besteht darin, dass durch Drehen eines Knebels ein daran befestigtes Band, welches zirkulär um eine Extremität verläuft, verkürzt wird, wodurch die Extremität komprimiert wird. Dadurch wird bei korrekter Anwendung sowohl der venöse („aus der Extremität“) als auch der arterielle („in die Extremität“) Blutfluß komplett unterbrochen, was im Falle einer relevanten Blutung aus der Extremität mit dem STOP der Blutung gleichbedeutend ist.

CAT 7 TQ – Copyright: https://www.army.mil/article/176507/here_are_the_details_on_the_new_combat_tourniquet

Die Geschichte der Tourniquets

Geschichtlich lassen sich Vorläufer der heutigen Tourniquets bis zu den Römern und Altgriechen zurückverfolgen. Damals schon wurden Kompressionsriemen zur Kontrolle von Blutungen eingesetzt. Der französische Arzt und Anatom Jean-Louis Petit gilt als Erfinder der „Blutsperre“. Er erfand im Jahre 1718 ein Instrument mit einer Spannschraube, das er Tourniquet nannte.

„Tourniquet“ Louis Petit 1718 – Copyright https://litfl.com/jean-louis-petit/

Die Anwendungsgebiete in der heutigen Zeit

TQ’s werden heutzutage in zwei Bereichen eingesetzt: militärisch und zivil.
Die Akzeptanz als „Goldstandard“ (bei bestimmten Verletzungsbildern) und die flächendeckend weite Verbreitung beim Militär ist den Bemühungen und der Vorreiterfunktion der US Army zu verdanken, die hierbei federführend war.
In unzähligen Studien und Feldversuchen wurden sowohl die Funktionalität, Überlebensrate und Nebenwirkungen als auch unterschiedliche Modelle untersucht und getestet. Somit konnten Evidenz-basierte medizinische Fakten gesammelt werden, die stetig ergänzt bzw. reevaluiert wurden und werden und die auch dazu geführt haben, dass bestimmte TQ-Modelle gegenüber anderen Modellen/ Herstellern besonders empfohlen werden.

Was bedeutet das konkret?

Untersuchungen der US Army, die während des Irak-Kriegs in Bagdad durchgeführt wurden, zeigen die Überlebensrate bei schweren Extremitätenverletzungen mit und ohne Tourniquet. Von 2838, schwer an den Extremiäten verletzten, Menschen wurden bei 232 (8,2 %) der Behandelten 428 Tourniquets appliziert (an 309 verletzten Extremitäten). Von diesen starben 13 %.

In einer Matched-pair-Analyse1 konnte gezeigt werden, das ein frühzeitiger Einsatz von TQ’s die Überlebenswahrscheinlichkeit bei schweren Extremitätenverletzungen signifikant erhöht. Von 13 Verletzten mit Tourniquetapplilkation überlebten 10 (77%), wohingegen fünf Menschen ohne Tourniquetapplikation2, obwohl die Indikation dafür bestand, meist nach nur 10-15 Minuten verstarben.

Veränderungen in unserem Alltag

Gerade im zivilen Rettungsdienst hat das TQ (langsam) immer mehr an Bedeutung gewonnen. Immer mehr Fahrzeuge des Rettungsdiensts sowie Polizeiangehörige führen eine Tourniquet mit.
Seit Ende 2016 sollen etwa in Bayern und Baden-Württemberg auf Rettungswagen Tourniquets vorgehalten werden. Abbildung 4 zeigt die zivile Variante des CAT 7 Tourniquet. Dieses ist in Form und Funktion identisch mit der militärischen Variante in schwarz, Unterschied ist nur die Farbe.

Tourniquet CAT 7 Orange – https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/012-019l_S3_Polytrauma_Schwerverletzten-Behandlung_2017-08-abgelaufne_01.pdf

Wann sollte ein TQ angewendet werden?

Hinsichtlich der Anwendung eines Tourniquets präklinisch empfiehlt es sich, einen Blick auf die S3-Leitlinie Polytrauma/ Schwerverletzten-Behandlung, Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie, AWMF Register-Nr. 012/019 zu werfen. Hier findet sich als Schlüsselempfehlung (1.64 Empfehlung modifiziert 2016 GoR B):

Ein Tourniquet sollte sofort angewendet werden bei:

  • Lebensgefährlichen Blutungen/Multiplen Blutungsquellen an einer Extremität
  • Nichterreichbarkeit der eigentlichen Verletzung
  • mehreren Verletzten mit Blutungen
  • schwerer Blutung der Extremitäten bei gleichzeitigem kritischen A-, B oder C-Problem
  • Unmöglichkeit der Blutstillung durch andere Maßnahmen
  • schweren Blutungen an Extremitäten bei Zeitdruck unter Gefahrensituationen



Weitere wesentliche Punkte der Leitlinie:

  • Eine Tourniquetanlage bedarf einer entsprechenden Analgesie [41].
  • Der Zeitpunkt der Tourniquetanlage sollte notiert werden [41, 42, 53].
  • Das Tourniquet muss den arteriellen Blutfluss komplett unterbrechen. Ein fehlerhaft angelegtes Tourniquet kann die Blutung verstärken (nur Niederdrucksystem komprimiert) [42].
  • Die Überprüfung der Effektivität sollte über ein Stoppen der Blutung, nicht über das Verschwinden des distalen Pulses erfolgen.
  • Das Tourniquet sollte möglichst frühzeitig angelegt werden.
  • Sollte ein Tourniquet nicht zum Verschwinden des distalen Pulses führen, so sollte ein zweites direkt proximal des ersten platziert werden, um die Effektivität zu erhöhen.
  • Es sollten keine Materialien unter dem Tourniquet verwendet werden, da sie zur Lockerung desselben führen können.
  • Tourniquets sollten proximal der Wunde angelegt werden.
  • Tourniquets sollten im Verlauf auf ihre Effektivität reevaluiert werden [36].

Mit Tourniquets Leben retten

Der Einsatz von Tourniquets ist eine effektive und einfache (für medizinisches und nichtmedizinisches Personal) Methode zur Verhinderung des Verblutens im militärischen präklinischen Rahmen [40]. Der Einsatz von Tourniquets ist eine sichere, schnelle und effektive Methode zur Kontrolle der Blutung aus einer offenen Extremitätenverletzung und sollte nicht nur als letzte Möglichkeit, sondern routinemäßig eingesetzt werden (zivile Untersuchung) [29].
Die Anlage eines Tourniquets ist lediglich als temporäre Maßnahme anzusehen, um initial eine schnelle und effektive Blutstillung durchzuführen. Ziel sollte stets die Konversion eines Tourniquets sein; dies bedeutet, die Abbindung zeitnah durch andere blutstillende Maßnahmen zu ersetzen.

Wann ist der richtige Zeitpunkt?

In Anbetracht der kurzen prähospitalen Versorgungszeiten im zivilen Rettungsdienst sollte die Konversion nur in Ausnahmefällen prähospital erfolgen (z. B. bei langen Transportzeiten in der Bergrettung). Vielmehr sollte die Konversion zu Gunsten einer frühen definitiven chirurgischen Versorgung bis in den Schockraum bzw. Operationsaal verschoben werden. Tourniquets können zur Senkung der Mortalität von Kampfverletzten beitragen und zeigen nur geringe Komplikationsraten (z.B. Nervenlähmung, Kompartmentsyndrom). Der Verlust einer Extremität aufgrund des Einsatzes eines Tourniquets ist eine Rarität [23].

Wichtig: Wie für andere Notfalltechniken gilt auch beim Tourniquet, dass die Anwendung nicht erstmals im Einsatz erfolgen sollte, sondern vielmehr unter Supervision zu erlernen ist und regelmäßig trainiert werden muss.

Wie lange kann ein Tourniquet angewendet werden?

Es gibt nur unzureichende Daten über die Dauer einer sicheren Anwendungszeit für Tourniquets. Die generelle Empfehlung liegt bei 2 Stunden, allerdings ist diese aufgrund von Daten entstanden, welche bei normovolämen Patienten mit pneumatischen Tourniquets gewonnen wurden [42]. Sollte die Transportzeit bis zur operativen Versorgung weniger als 1 Stunde betragen, so kann das Tourniquet belassen werden.

Wie bereite ich mein Tourniquet vor?

AirMeG – Jeder kann Leben retten

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Fußnoten:

1: (Abbreviated Injury Scale [AIS], Injury Severity Score [ISS], alle männlich, Alter)

2: (mehr wurden in der Zeitspanne nicht identifiziert)

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